Suche zuerst sein Reich und seine Gerechtigkeit; dann wird dir alles andere dazugegeben.

Pilgern, Mystik des Weges

Mystik kann als Gotteserfahrung, als spirituelles Erlebnis beschrieben werden. Eine Schau Gottes, so wie im Neuen Testament steht: Selig, die rein sind im Herzen; denn sie werden Gott schauen (Mt 5,8).

Mönche und Nonnen haben über viele Jahrhunderte versucht, einen Weg zu Gott zu finden. Zu ihren Methoden gehören Beten und Arbeiten (ora et labora), Fasten, Schweigen und ein einfaches Leben führen mit dem Gelöbnis der Armut, Keuschheit und Nächstenliebe.

Pilgern erfreut sich weiterhin wachsender Beliebtheit. Der postmoderne Mensch ist wohl doch auf der Suche nach dem, was allem einen Sinn gibt. Als Pilger haben wir einen Tagesablauf, der dem Klosterleben ähnelt. Im monotonen Laufen kommt man schnell ans Meditieren. Man kommt zur Ruhe und schweigt für Stunden. So kann man versuchen, Gottes Wort zu hören oder im Innersten zu spüren. Man ist aus dem Alltäglichen herausgenommen, alles ist anderes, das Essen oft einfach, ebenso die Unterkünfte. Pilger verstehen, dass weniger mehr ist und das man sagt, Pilgern ist beten den Füßen. Man ist freundlich und zugewandt, lernt viele Menschen kennen und vor allem sich selbst und seine Grenzen. Gut, wenn man für diesen Weg berufen ist. Auf dem Weg und am Ziel kann man Gott suchen oder sich von ihm finden lassen.

Anselm Grün schreibt dazu:

In der Mystik es geht immer um eine Erfahrung Gottes. Sie muss nicht außergewöhnlich sein. Sie kann auch in einem kurzen Augenblick geschehen, in dem Gottes Wort mich anrührt, mir ins Herz fällt, in der Gottes Liebe mein Herz erfüllt, in dem mir die Augen aufgehen und ich für einen Augenblick in den Grund allen Seins schaue und mein Ego, das alles beurteilen möchte, vergesse.

Ich bin einfach nur da, eins mit mir, eins mit dem Grund, eins mit Gott, der mich mit seiner Liebe einhüllt und durchdringt. Mystik ist nicht Weltflucht, sondern die Erfahrung Gottes mitten in der Welt. Sie ist die Erfahrung Gottes, der die ganze Welt mit seinem Geist durchdringt, aber zugleich auch die Erfahrung Gottes, die wir gerade dann machen, wenn wir uns innerlich von der Welt getrennt haben - wenn nicht mehr die Welt uns bestimmt, sondern Gott.

(Quelle: https://www.sonntagsblatt.de/artikel/mystik/spiritualitaet-mystik/anselm-gruen-einfuehrung-die-christliche-mystik)

Camino Francés, März 2019, kurz vor Astorga